Transformative Gewaltprävention

Gelingende Prävention zielt nicht nur auf Verhaltensänderung, sondern eben auch auf Verhältnisänderung ab“ (Brigitte Braun)

Das Fundament unserer Präventionsarbeit ist Transformative Gerechtigkeit. Diese entstand als Konzept und Haltung in den letzten 30 Jahren innerhalb sozialer Bewegungen in Nordamerika. Social Justice-Aktivist*innen, allen voran feministischen FLINTA* of Colour, entwickelten Visonen und Strategien zum Umgang mit Gewalt innerhalb ihrer Communities.

Ausgangspunkt war auf der einen Seite der massive Ausbau eines strafenden Staates, der strukturelle Gewaltverhältnisse unsichtbar machte und die bestehende Ordnung stützte. Auf der anderen Seite wurde zwischenmenschliche und vor allem sexualisierte Gewalt innerhalb antirassistischer und staatskritischer Communities ausgeblendet, da sie Staat und Rassismus als einzige Gewaltquelle definierten oder aus Angst vor Spaltung und polizeilichen Übergriffen schwiegen. Die Betroffenen erfuhren in ihrer Mehrfachdiskriminierung – als FLINTA* und BIPoC – keine Unterstützung. Darum suchten betroffene Aktivist*innen nach Konzepten für emanzipatorische Umgänge mit Gewalt im Nahbereich, die sich nicht auf den Staat bezogen und keine weitere Gewalt produzierten.

Das Herzstück Transformativer Gerechtigkeit ist die Kollektive Verantwortungsübernahme. Sie baut auf dem Verständnis auf, dass Gewalt nicht (nur) die individuelle Handlung einer delinquenten (abweichenden) Person ist, sondern innerhalb gesellschaftlicher Strukturen entsteht und wirkt. Das bedeutet, dass sich zum einen gesellschaftliche diskriminierende Strukturen auch in individuellem Handeln ausdrücken (bspw. sexualisierte Gewalt), und zum anderen Umfelder eine Mitverantwortung für ausgeübte Gewalt und für die Unterstützung der betroffenen Personen tragen. Kollektive Verantwortungsübernahme beginnt im Alltag im ganz Kleinen.

Mit Transformativer Gewaltprävention möchten wir dieses Verständnis in die Bildungsarbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen integrieren. Junge Menschen sind eine besonders vulnerable Gruppe. Viele Jugendliche befinden sich in Umbruchphasen großer Unsicherheit und Selbstzweifel, zudem erleben sie oft schon in ersten Beziehungen Gewalt und Grenzverletzungen. Sie können in ihrer Selbstbestimmung gestärkt werden, indem sie über ihre eigenen Grenzen und die Grenzen Anderer reflektieren. Wie kommuniziere ich meine Grenzen? Wie gehe ich mit Grenzsetzungen Anderer um? Mit Zurückweisung? Kann ich mich für Grenzverletzungen entschuldigen, Fehler eingestehen? Wie kann mit Hilfe von Konsens in intimen Beziehungen die eigene und geteilte Sexualität auf Augenhöhe erkundet werden? Die Auseinandersetzung mit diesen Themen hilft den Jugendlichen, widerständiger gegen Gewalterfahrungen und -ausübung zu sein.

Gleichzeitig bewegen sie sich ständig in Gruppen – in Klassenzusammenhängen, Freund*innenkreisen, Sportvereinen. In diesen Gruppen kann Gewalt reproduziert und verstärkt, oder aber verhindert werden. Wann tun uns Grupppen gut, stärken und unterstützen uns, und wann nicht? Welche Praktiken können wir in unseren Freund*innenkreisen einüben, um Verantwortung füreinander zu übernehmen, Gewalt zu verhindern, oder bei erlebter Gewalt betroffene Personen wirklich solidarisch-parteilich zu unterstützen?

Mit unserer Bildungsarbeit möchten wir zu unterstützenden, (strukturell) gewaltfreien Beziehungen beitragen – auf individueller und gesellschaftlicher Ebene. Dafür arbeiten wir mit Jugendgruppen, Multiplikator*innen der Jugendarbeit und mit Betroffenen von (sexualisierter) Gewalt.

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